Kommentar zu Sura 88

Im Namen Gottes Des Erbarmers Des Gnädigen

Da sich unsere Übersetzung der Sura 88 in vielerlei Hinsicht von den anderen abweicht, dachten wir, dass wir den Lesern schuldig sind, ihnen unsere Sichtweise zu zeigen und warum wir auf diese Art und Weise übersetzt haben. Hier geht es vor allem um die Verse 5, 6, 8, 15, 16, 17

Vers 5: in das von einer brodelnden Quelle gegossen (ToSQY) wird.

Alle Übersetzer meinten, da in Vers 2 die Rede von den Gesichtern ist, dass es hier um die Trinkquelle der Höllenbewohner geht. Doch genau hier wird das Wort “Trinken” (SchaReBa) gar nicht gebraucht, sondern eher das Wort “gießen od. zum Trinken geben” (SaQYa). Unsere Meinung nach handelt es sich nicht um das Gießen der Gesichter sondern des Feuers, das im vorherigen Vers erwähnt wurde (4) und das eigentlich Treibstoff braucht um ständig aktiv zu bleiben.

Vers 6: Für sie wird es keine Speise geben außer Nutzlosem (DaRYÁ)

Das Wort dafür heisst “DaRYÁ” und stammt aus der Wurzel DRÁ und existiert 8 mal im Koran. (6:42, 6:43, 6:63, 7:55, 7:94, 7:205, 23:76, 88:6)

ضرع [DaRaÁ] Schwäche, Erniedrigung, abgemagert, gedemütigt
تضرع [TaDaRaÁ] (an-)flehen,
ضرع [DaRYÁ] feuchte übelriechende Pflanzen
مضارع [MoDaReÁ] Präsenz

Dass die Übersetzer das Wort in Vers 6 als “Dornen” wiedergaben, konnten wir nicht verstehen, denn wie können Menschen Dornen essen und dabei am Leben bleiben. Wir glauben, dass der Koran sich selbst erklärt und dazu nicht einmal Wörterbücher nötig sind, die wiederum aus der Tradition bzw. den alten Interpretationen einiges entnommen haben. Die Erklärung dazu, und warum wir uns für das Wort “nutzlos” entschieden haben, steht genau im nächsten Vers: “das weder sättigt noch den Hunger stillt“.

Vers 8: Gesichter sind an jenem Tag weich (NaÁeMaH)

Dieser Vers wurde von den meisten Übersetztern als “Gesichter, die fröhlich sind” wiedergegeben. Die Wurzel “NaÁaMa” beinhaltet einige Bedeutungen, die wir hier auflisten

نعم [NaÁaMa] in Wonne Leben, zart sein, glat sein, weich sein, JA, Jawohl, pl. أنعام [ANÁaM] Vieh
أنعم [ANÁaMa] sich Großzügig erweisen, gewähren
نعمة [NeÁMaH] Gunst (Gottes)
نعيم [NaÁYM] Wonne, (Zustand im Paradies)
تنعم [TaNaÁaMa] (das Leben) genießen
المنعم [AlMonÁeM] Der Großzügige (Name Gottes)
نعامة [NaÁaMaH] Strauß
ناعم [NAÁeM] weich, zart

Wir sehen hier, dass es nicht um Föhlichkeit der Gesichter geht, sondern viel mehr um das Merkmal des guten Lebens, das man bei jedem der Paradiesbewohner an dem Gesicht erkennt, so wie es in Vers 83:24 beschrieben ist: “Du erkennst in ihren Gesichtern das Strahlen der Wonne

Vers 15: und aufgereihte Gefäße

Hier haben die meisten Übersetzer “aufgereihte Kissen” wiedergegeben und nur Khalifa übersetzte es als “aufgereihte Küge”. Doch diese Krüge sind nicht solche, die man zum Trinken gebraucht, sondern um Getränke wie Wein zu lagern, da sie aufgereiht in den Räumen stehen. Also handelt es sich um größere Behälter oder Fässer, die wir nicht genauer bescheiben können, außer mit dem Begriff “Gefäße”.

Vers 16: und verbreitete Gutshöfe (ZaRaBY)

Unsere Sichtweise ist, dass das Paradies ein sorgenfreies Leben ist, wo keine Befürchtung bestehen, dass man im Leben zu kurz kommt.

Die Bedeutung der  Wurzel des Wortes “ZaRaBY / ZaRaBa” ist:

زرب [ZaRaBa] einsperren, einschränken,
زريبة [ZaRYBaH] Stall, (Tier-, Guts-)hof, Pferch pl. زرابى [ZaRaBY] (Guts-)Höfe,
زربية [ZaRBYaH] Teppich pl. زربيات [ZaRBYAT] Teppiche

Doch bei dem Wort “ZaRaBY” im Vers kann es sich nach folgendem Grund nicht um “Teppiche” handeln:

Unser Wort im Vers ist ja im Plural, deshalb schauten wir nach der Singularform davon um zu entdecken, dass es sich um ein Femininum handelt mit einem H-Buchstaben am Ende. Solche Nomen schauen in der Regel anders aus, wenn sie zu Plural umgewandelt werden. D.h. wenn es ZaRBYaH wäre, dann wäre der Plural “ZarBYAT” und nicht ZaRaBY (Das “-H” am Ende des Singular-Feminin-Wortes wird in Plural meisten durch “-AT” ersetzt).
Beim Wort “ZaRYBaH” (Hof) handelt es sich auch um Singular, Femininum, doch unterliegt einer Ausnahme bei seinem Umwandeln zu Plural und wird zu “ZaRaBY”. Hier sind einige Beispiele von ähnlichen Wörtern aus dem Koran:

قرية [QaRYaH] Dorf, pl. قرى [QoRY] Dörfer
مدينة [MaDYNaH] Stadt, pl. مدن [MoDoN] Städte
طريقة [TaRYQaH] Weg, Methode, pl. طرائق [TaRaYQ] Wege, Methoden

Vers 17: Sehen sie nicht wie die Herdentiere (AL-IBL) erschaffen waren

Wir haben uns gewundert, warum die Rede ständig von Kamelen im Koran sei? Wir haben im Koran 4 verschiede Ausdrücke (JaMaL, JeMaLaT, NAQaH und IBL) und bei allen vier steht entweder Kamel oder Kamelstute, obwohl 3 davon völlig unterschiedlich von der Schreibweise sind. Die Araber haben bzw. hatten nicht nur Kamele, denn Schafe und Ziegen, die in Herden leben, gehören seit Tausenden von Jahren dieser Kultur an.
Nach dem wir die Wurzel genauer untersucht haben, fanden wir das Wort in Pluralform in Vers 105:3, der besagt: “Und Er sandte Vögel in Schwärmen (ABABYL singular: IBL) über sie“.
Das Wort “Schwärmen” bezieht sich im Deutschen auf Luft- oder Wassertiere, die in Gruppen leben. Wenn es um “Schwärme” ginge, die sich auf Landtiere beziehen, dann sind es die “Herdentiere”. Laut Vers 6:144 sind die sogenannten “IBL” essbare Tiere (Schafe, Ziegen, Gazellen, Hirsch usw.), also gemeint sind sicher nicht alle Herdentiere im Allgemeinen.

Salam