Sind religiöse Stätte im Zentrum des Lebens? Vers 22:40

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen

Vers 22:40 im Quran lautet (Hanif’s Übersetzung):

“Denjenigen, die aus ihren Heimstätten mit Unrecht vertrieben wurden, nur weil sie sagen: Unser Herr ist Gott. Und hätte Gott die Menschen nicht durch die anderen verteidigt, dann wären Einsiedeleien, Handels- und Kontakteinrichtungen und Unterwerfungsstätten, in denen der Name Gottes viel gedenkt wird, zertrümmert. Und Gott wird ja dem beistehen, der ihm beisteht. Gewiss, Gott ist ja stark, ehrenvoll.”

Dieser Vers spricht über die Verteidigung der Gläubigen, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt und aus ihren Häusern vertrieben wurden. Weiterhin wird betont, dass Gott wichtige soziale und religiöse Einrichtungen schützt, in denen sein Name viel gedenkt wird. Es gibt jedoch verschiedene Interpretationen bestimmter Begriffe in diesem Vers. Die traditionelle Sichtweise fokussiert sich oft auf spezifische religiöse Stätten, während wir eine breitere Bedeutung dieser Begriffe sehen, die auf soziale und gemeinschaftliche Einrichtungen hinweist.

Traditionelle Sichtweise der Begriffe

In der traditionellen Interpretation werden die Begriffe in Sure 22:40 oft mit bekannten religiösen Stätten assoziiert:

  1. “Einsiedeleien” (صوامع, ṣawāmiʿ): Traditionell interpretiert als Orte der Abgeschiedenheit und Meditation, insbesondere für Mönche oder Einsiedler. Diese Orte gelten als spirituelle Rückzugsorte.
  2. “Synagogen” (بيع, biyaʿ): In der traditionellen Auslegung wird der Begriff oft mit jüdischen Gebetsstätten gleichgesetzt, obwohl “baiʿ” an vielen Stellen im Quran als Handel oder Kauf/Verkauf verstanden wird.
  3. “Kirchen” (صلوات, ṣalawāt): Dieser Begriff wird in der klassischen Interpretation mit christlichen Gebetsstätten in Verbindung gebracht, da er mit dem arabischen Wort für Gebet verwandt ist.
  4. “Moscheen” (مساجد, masājid): Dieser Begriff ist am eindeutigsten und wird als Anbetungsstätte der Muslime verstanden, an der die Gläubigen ihre Niederwerfung (Sujūd) vor Gott vollziehen.

Eine erweiterte Interpretation

Wir sehen es anders und legen die Begriffe weiter aus. Die Begriffe in Sure 22:40 könnten nicht nur auf spezifische religiöse Stätten, sondern auch auf soziale und gemeinschaftliche Einrichtungen hinweisen, an denen Menschen zusammenkommen, um sowohl sozialen Austausch als auch spirituelle Rituale zu pflegen.

  1. “Einsiedeleien” (صوامع): Anstatt diesen Begriff nur auf Mönche zu beschränken, betrachten wir ihn als Orte der spirituellen Einkehr und Meditation, an denen sich Menschen in Ruhe zurückziehen, um sich Gott zu widmen. Dies könnte Orte jeder Art umfassen, die für spirituelle Praxis genutzt werden.
  2. “Handels- und Kontakteinrichtungen” (بيع): “Baiʿ” bedeutet im Quran an vielen Stellen Handel. Wir verstehen diesen Begriff als Hinweis auf sozialen und wirtschaftlichen Austausch, also auf Orte, an denen Menschen zusammenkommen, um Geschäfte zu tätigen und Kontakte zu pflegen. Solche Orte sind für die Gesellschaft wichtig, da sie soziale Bindungen und Gemeinschaften stärken.
  3. “Kontakteinrichtungen” oder “Gebetsorte” (صلوات): Traditionell als Kirchen verstanden, doch wir sehen den Begriff ṣalawāt als Hinweis auf Verbindungen oder Kontakte. Diese Verbindungen können sowohl spirituell als auch sozial sein, da Orte, an denen Menschen sich versammeln, oft spirituelle oder soziale Funktionen haben.
  4. “Unterwerfungsstätten” (مساجد, masājid): Der Begriff Masājid bedeutet wörtlich “Orte der Niederwerfung”. Wir sehen darin nicht nur Moscheen, sondern alle Orte der Anbetung, wo Menschen sich Gott unterwerfen, seien es Synagogen, Kirchen oder andere Gebetsstätten. Diese erweitere Sichtweise schließt alle Glaubensgemeinschaften ein, die Gott in Gebetsorten verehren.

Fazit

Die traditionelle Auslegung von Sure 22:40 konzentriert sich stark auf spezifische religiöse Stätten wie Synagogen, Kirchen und Moscheen. Wir hingegen sehen eine erweiterte Bedeutung, in der die Begriffe auch auf soziale, spirituelle und gemeinschaftliche Orte angewandt werden können. Diese Orte dienen nicht nur der Anbetung, sondern auch dem sozialen Austausch und der Verbindung zwischen den Menschen. Besonders die Begriffe “baiʿ” (Handel) und “ṣalawāt” (Kontakte/Gebete) verdeutlichen die Rolle solcher Stätten im gemeinschaftlichen Leben.

Durch diese erweiterte Interpretation wird deutlich, dass Gott nicht nur religiöse Anbetungsstätten schützt, sondern auch die Orte, an denen Menschen sich begegnen, um sowohl sozialen als auch spirituellen Austausch zu pflegen.