Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen
Die Geschichte von Abraham und seinem Sohn, wie sie in Vers 37:102 geschildert wird, wurde oft als Beweis für einen angeblichen göttlichen Befehl zur Opferung eines Menschen interpretiert. Ein genauerer Blick auf den Vers und die Prinzipien, die Gott im Quran festgelegt hat, zeigt jedoch ein anderes Bild: Gott verlangt niemals die Tötung von Menschen als Opfergabe. Vielmehr geht es in dieser Prüfung um eine tiefere Botschaft.
37:102 Als dann sein Bestreben mit ihm so weit war, sagte er: Mein Sohn, ich sehe im Schlaf, dass ich dich schlachte. Also schau, was du siehst. Er sagte: Vater, tu, was dir befohlen wird. Du wirst mich, so Gott will, unter den Geduldigen finden
Der Schlüssel zur Interpretation: Der Traum
Abraham berichtet hier von einem Traum. Im Quran gibt es mehrere Hinweise darauf, dass Träume symbolisch zu verstehen sind. Ein Traum ist selten buchstäblich zu deuten, sondern verlangt eine tiefere Betrachtung. So auch in diesem Fall.
Das Schlachten im Traum steht in der Traumdeutung oft für eine Trennung. Wenn jemand im Traum sieht, dass er jemanden tötet, bedeutet dies nicht den physischen Tod, sondern dass eine Trennung oder ein Ende der Beziehung bevorsteht. In diesem Kontext zeigt der Traum, dass Abraham angewiesen wurde, sich von seinem Sohn zu lösen.
Eine göttliche Prüfung
37:112 Und wir verkündeten ihm Isaak als einen Propheten von den Rechtschaffenen
Die Prüfung bestand für Abraham nicht darin, ob er bereit wäre, seinen Sohn zu töten – etwas, das Gott niemals befohlen hätte. Vielmehr war es ein Test seiner Bereitschaft, auf seinen Sohn zu verzichten, der auch als Prophet zu einem anderen Volk gesandt werden sollte. Abraham bewies seine Hingabe, indem er bereit war, seinen persönlichen Wunsch, bei seinem Sohn zu bleiben, Gottes Willen zu unterstellen.
Gottes Haltung zum Töten
Im Quran wird ausdrücklich betont, dass das Töten von Menschen ohne gerechtfertigten Grund streng verboten ist:
5:32 Aus diesem Grund schrieben wir den Kindern Israels vor: Wer eine Seele tötet, ohne dass diese eine andere Seele getötet oder Verderben auf der Erde angerichtet hat, ist, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer eine Seele leben lässt, ist, als ob er alle Menschen hätte leben lassen
Gott macht deutlich, dass das Leben eines jeden Menschen heilig ist. Der Versuch, Abraham in dieser Geschichte einen Auftrag zum Töten seines Sohnes zuzuschreiben, widerspricht dieser grundlegenden Botschaft des Quran.
Die Bedeutung des „Schlachtens“
Das Wort „schlachten“ in Vers 37:102 ist symbolisch zu verstehen. Es beschreibt die Notwendigkeit, sich von jemandem zu trennen. Abraham wurde angewiesen, auf die enge Beziehung zu seinem Sohn zu verzichten, damit dieser seine eigene göttliche Mission erfüllen konnte.
Fazit
Die Geschichte von Abraham und seinem Sohn ist eine Prüfung der Hingabe, nicht eine Aufforderung zum Töten. Gott verlangt niemals die Tötung eines Menschen als Opfer. Vielmehr geht es in dieser Geschichte um Vertrauen, Gehorsam und die Bereitschaft, sich Gottes Willen zu fügen, selbst wenn dies persönliche Opfer bedeutet.
Der Quran zeigt klar, dass das Töten unschuldiger Menschen eine der schwerwiegendsten Sünden ist. Der Vers 37:102 offenbart, wie Abraham eine schwierige Prüfung bestand, indem er sich bereit erklärte, auf das Wertvollste in seinem Leben zu verzichten, um Gottes Willen zu erfüllen.
Dieses Verständnis steht im Einklang mit der universellen Botschaft des Quran: das Leben zu bewahren und Gerechtigkeit walten zu lassen.