Im Namen Gottes Des Erbarmers Des Gnädigen
Da sich unsere Übersetzung zu Sura 53 (die sog. “Der Stern”) an bestimmten Stellen von allen anderen unterscheidet, sehen wir es als notwendig an, diese Stellen zu erklären.
Obwohl der Koran in seiner Aussage leicht verständlich ist, liegt aber seine Schwierigkeit vor allem darin, dass er in einem kompakten Stil formuliert ist. Diese Schwierigkeit entpuppt sich am stärksten bei der wortgetreue Übersetzung, die wir weiter so beibehalten möchten, obwohl es für einige Leser ohne die Erklärung unsererseits schwer verständlich sein könnte. Die Verse aus Sura 53, die wir hier behandeln möchten, sind: 6, 9, 11, 14, 16, 19-20, 32, 37, 46, 47, 53
53:6 Dem Intensität zu eigen ist, sich so ausglich
In dieser Abschnitt der Sura geht es um die Begegnung Mohammeds mit einem höheren Wesen, das gewisse himmlische Kräften aufweist. Viele Koran-Interpretatoren meinen, dass es sich um Gabriel handele. Auch schreiben manche Übersetzer seinen Namen in Klammern, obwohl der Name “Gabriel” in dieser Sura gar nicht vorkommt. Wir wollen diese Behauptung nicht ausschließen, doch wollen wir auch nicht etwas behaupten, was nur eine Vermutung ist. In Vers 6 wird diesem Wesen eine Fähigkeit zugeschrieben, über die nur Gott Macht besitzt, wie es in anderen Versen klar wird, in denen das Verb استوى [ESTaWaY] (sich stabilisieren oder den Ausgleich erreichen) vorkommt. Wahrscheinlich geht es um einen Zustand der völligen Vollkommenheit, der bildlich schwer zu beschreiben ist, da es sich um eine Vision handelt (siehe Vers 12).
53:9 So war er gewölbeartig, zwei Bögen oder näher
Alle Übersetzer geben das Wort قاب [QAB] in diesem Vers als eine Maßeinheit wieder. Sie waren sich auch nicht einig, ob die Länge eines Bogens oder die Schussweite gemeint ist. Diese Behauptungen können wir aus folgenden Gründen nicht nachvollziehen:
i – Eine Bogenlänge kann sich je nach Herstellungsort variieren und deshalb auf keinen Fall als Maßeinheit verwendet werden kann. Der Koran gibt uns in Vers 69:32 eine klar definierte Maßeinheit, nämlich die Elle: “Dann legt ihn in eine Kette, deren Länge siebzig Ellen ist”
ii – Ginge es in diesem Vers um die Schussweite eines Bogens, dann würde der Vers anders geschrieben werden und zwar: “Zwei Schussweiten EINES BOGENS” und nicht “ZWEIER BÖGEN”. Auch die Länge der Schussweite kann je nach Spannstärke und verwendeter Kraft variieren.
Unserer Meinung nach handelt es sich hier nicht um den Abstand, den das Wesen von Mohammed hat, sondern in welchem Zustand es sich offenbart. Wir haben das Wort قاب [QAB] nach der Wurzel untersucht und fanden heraus, dass es sich um das Verb قبو [QaBWa] (wölben) handelt, woraus folgende Nomen entstanden: قبو [QaBOu] (Gewölbe, Keller) قبة [QeBaH] (Kuppel). Das Wort قاب [QAB] zeigt sich in dem Zusammenhang eher als Adjektiv “gewölbeartig” (mit Alif-Buchstaben in der Mitte), um uns den Zustand dieses Wesens bildlich näher zu bringen. Wäre dieses Wesen ein Engel mit Flügeln, dann würde es Mohammed mit seinen beiden Flügel, die zwei Bögen um ihn bilden, umhüllen, sodass der Prophet von der Außenwelt abgeschirmt ist.
Das letzte Wort im Vers “oder näher” beschreibt keine horizontale Annäherung, sondern eine von oben nach unten gehende Annäherung; im Sinne von “oder tiefer”.
53:11 Das Innere leugnete nicht, was es sah
Das hier verwendete Wort فؤاد [FUAD] (das Innere) beschreibt innerliche/unterbewusste Vorgänge von Menschen und wird in vielen Übersetzung mit “Herz” verwechselt. Doch das Wort “Herz” قلب [QaLB] steht öfters im Koran und bezeichnet eher das Zentrum der Vernunft. Das Wort فؤاد [FUAD] dagegen kommt in einigen Versen im Zusammenhang mit den beiden anderen Sinnen vor, “dem Gehör” und “der Sehkraft”: “32:9 Dann formte Er ihn und hauchte ihm von Seinem Geiste ein. Und Er gab euch das Gehör und die Sehkraft und das Innere. Aber wenig Dank wisst ihr!”
53:14 Bei der am Ende stehenden Zeder
Auch bei diesem Wort سدرة [SeDRaH] pl. سدر [SeDeR] waren sich die Übersetzer nicht einig, um welchen Baum es sich hier handelt. Manche behaupteten, es sei der Zizyphusbaum, andere leiten die Baumart aus östlichen Religionen ab und behaupteten, es sei der Lotusbaum. Wir gehen aus folgenden Gründen davon aus, dass es sich um die Zeder des Libanongebirges handelt:
i – Der Name Zeder ist der gleiche Name, der in diesem Vers verwendet wurde سدر [SeDeR]. Er stammt aus dem Altgriechischen und bezeichnet die damals berühmten Bäume des Libanongebirges, die sogar in mehreren Stellen der Bibel als “Die Bäume des Herrn” beschrieben werden (Siehe Bibelstellen).
ii – Die damaligen aus der arabischen Halbinsel stammenden Araber wussten nicht, wie solche Bäume zu nennen waren. Deshalb bezeichneten sie die Bäume nach dem Namen des Berges, auf dem sie stehen, dem جبل الارز [JaBaL AL-ARZ] Erzberg. Und so nannten die Araber sie “Die Bäume des Erzberges”, was ja kein richtiger Eigename ist, sondern lediglich einen Bezugspunkt zum Berg beschreibt.
53:16 Während die Zeder mit dem, was sie überzieht, überzogen ist
Die Zederbäume des Libanon stehen auf einer Höhe von über 2100 Meter (Siehe Info). Dieses Gebiet ist im Winter mit Schnee überzogen, deshalb wurde das Land nach dem aramäischen Namen “LaBaN” (das Weiße) “Libanon” genannt. Wenn es sich in diesem Vers um Schnee handelt, der die Bäume überdeckt, dann ereignet sich das Zusammentreffen Mohammeds mit dem Engel in der Winterzeit.
Wir bitten aber darum, dieses Verständnis als unsere Sichtweise zu verstehen und nicht als allgemeingültig zu betrachten!
53:19 Saht ihr etwa Allat und Aluzzah
53:20 oder die andere Manat; die Dritte
In diesen Versen werden 3 Namen von Göttinen erwähnt, die in der vorislamischen Zeit in der arabischen Halbinsel und auch in vielen Kulturen von Menschen verehrt wurden. Wir haben am Anfang diese Namen übersetzt, dann aber gemerkt, dass solches Vorgehen zu Fehlinterpretationen führen könnte. Deshalb entschieden wir uns die Namen im Koran so zu lassen, wie sie im Arabischen stehen. Die wortwörtliche Übersetzung der Namen ist: “Allat” (Die Göttin), “Aluzzah” (Die Ehrenvolle) und “Manat” (Die Wunscherfüllende).
53:32 denjenigen, die die großen Sünden und die Abscheulichkeiten meiden, außer es sammelt sich an, ist deines Herrn Vergebung gewiss weitumfassend. Er weiß Bescheid über euch, als Er euch aus der Erde entstehen ließ und als ihr Föten in den Leibern eurer Mütter wart. So erklärt euch nicht selbst für lauter, Er weiß Bescheid über den, der achtsam war
Die Wurzel des Wortes لمم [LaMaMa] bedeutet “ansammeln” bzw. “sich anhäufen”. Das hier verwendete Nomen اللمم [AL-LaMaM] haben die meisten Übersetzer als “kleine Sünden” wiedergegeben. Wir möchten dagegen den Lesern die Freiheit einräumen, ihre eigene Meinung bilden zu dürfen. So sind wir darum bemüht, den Text nicht durch eine eigene Interpretation in seinem möglichen Bedeutungsumfang einzuschränken. Denn der wahre Lehrer des Koran ist der Gnädige (55:1-2, 75:19). Dieser Vers bietet in seinem ersten Satz zwei mögliche Bedeutungen an.
Die erste Variante dreht sich um die traditionellen Verständnisweisen, weshalb wir uns hierbei kurz halten. Dieses Verständnis besagt, dass jene, die die großen Sünden und Schändlichkeiten meiden, zu den Erretteten gehören, und dass ihre leichten Vergehen (gelegentliche Verstöße, kleine Sünden, Kleinigkeiten) zwar als Sünde und Fehltat gelten, diese aber aus Gottes Barmherzigkeit verziehen werden. Die Ansammlung umschreibt in diesem Falle all die sündigen Taten eines Menschen, die er unbewusst oder bewusst in kleinem Maße begangen hat und deren Konsequenzen geringfügigen Umfang besitzen. Insofern kann man auch verstehen, wieso Gott im Koran gewisse Sünden besonders hervorhebt (23:7, 4:15, 4:22, 7:80 uvm).
Die zweite Variante betrachtet den Vers aus einer leicht anderen Perspektive. Der Vers spricht die Vergebung Gottes an, welche auch große Sünden umfasst, die man aus Nicht- oder Falschwissen begangen hat. Denn auch solche Sünden werden von Gott nach Seinem Ermessen vergeben, außer wenn man diese stets wiederholt, so dass sie sich anhäufen. In diesem Fall ist die Situation eines solchen Menschen eher kritisch zu betrachten, da er von seinen Fehlern nicht gelernt hat. Wir können von Gott nicht erwarten, dass Er ohne unser eigenes Zutun unser Licht vervollkomnet. Wir müssen unser Licht vervollkommnen wollen und es auch selbständig versuchen, damit wir von Gott Hilfe erhalten können (13:11). Wir werden nach unseren inneren Absichten beurteilt, was uns im Innersten wirklich bewegt. So lässt es Gott zu, dass wir zum Preis des Verlustes den falschen Weg wählen können (92:4-12). In diesem Sinne: wissen wir, dass eine Tat eine Sünde darstellt, und bemerken wir, dass wir von dieser Sünde nicht loskommen – wir sind also Wiederholungstäter, so haben wir einen größeren Aufwand zu betreiben, um unser Ego zu säubern und unser Seelenlicht zu stärken. Dies zeigt sich auch in den heutigen Gerichtssälen, in der ein Wiederholungstäter stärker bestraft wird als ein Ersttäter, damit er – so Gott will – zur Vernunft kommen mag.
53:37 und Abrahams, der erfüllte
Die meisten Übersetzer verwenden in diesem Vers zusätzliche Begriffe, um zu erklären, wie dieses “erfüllen” zu verstehen sei. Wir selber wollen in unserer Übersetzung solche meist in Klammern gesetzte Begriffe vermeiden und ziehen es vor, den Sachverhalt gesondert in einem Anhang zu erklären.
Nach unserem Verständnis geht es um die Gebote Gottes, die nach diesem Vers aufgelistet werden. Diese Gebote standen bereits in den Blättern Moses und in den Blättern Abrahams. Jeder der Propheten zeigte den Menschen klar und deutlich, dass jeder für sich selbst die Verantwortung trägt und deshalb kein Mensch die Sünden eines anderen übernehmen kann.
53:46 aus einem Tropfen, wenn er zu Sperma wird
53:47 und dass Ihm die weitere Entstehung obliegt
In diesen beiden Versen zeigt uns Gott zwei Phasen der Entstehung eines Lebewesens. Die erste Phase ist die Entwicklung von Flüssigkeit, in der dann in einem komplexen Prozess Spermien gebildet werden (Siehe Sperma und Spermien). Die zweite Phase beschreibt den Entwicklungsprozess, wenn die Spermien in den Leib der Mutter gelangen und sich ein Mensch formt (Siehe Entwicklung des Fötus).
53:53 Und die Umgedrehte ließ Er sich neigen
Es handelt sich bei dem Wort “die Umgedrehte” um die Städte, deren Bewohner die Wahrheit mit der Falschheit verdreht haben, sodass sie untergegangen sind. Der Boden soll sich nach diesem Vers geneigt haben. Wir haben in dieser Sura darauf geachtet, dass identische Begriffe immer mit der gleichen Übersetzung wiedergegeben werden. So sieht man, dass das Wort “neigen” in vier verschiedenen Versen vorkommt:
- In 53:1 im Zusammenhang mit dem Stern, der sich neigt;
- In 53:3, in welchem gesagt wird, dass der Prophet nicht aus eigener Neigung spreche;
- In 53:23, in dem wir von den Seelen erfahren, die aus eigener Neigung sprechen und Geschichten erdichten;
- In 53:53 in Bezug auf die Städte, die sich ins Verderben neigen.
Salam