Wer od. Wen Gott schmäht – Vers: 22:18

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen

Die diakritischen Zeichen im Quran, die Jahrhunderte nach der Offenbarung hinzugefügt wurden, dienen dazu, die korrekte Aussprache und das Verständnis des heiligen Textes zu erleichtern. Diese Zeichen, die in der frühen Phase der Quran-Überlieferung nicht vorhanden waren, wurden von Gelehrten eingeführt, um Missverständnisse zu vermeiden. Doch diese menschliche Ergänzung wirft eine wichtige Frage auf: Beeinflussen die diakritischen Zeichen die Bedeutung des Textes, und könnten verschiedene Lesarten möglich sein?

Die Phrase „Und wer Gott schmäht…“ – Ein Beispiel für Mehrdeutigkeit

Ein Beispiel, das diese Thematik illustriert, ist der Vers 22:18, worin steht “ومن يهن الله”, und der je nach den diakritischen Zeichen auf zwei verschiedene Weisen gelesen werden kann:

Sahst du etwa nicht, dass das, was in den Himmeln und auf der Erde ist, die Sonne, der Mond, die Sterne, die Berge, die Bäume, die Tiere und viele unter den Menschen, wobei sich bei Vielen die Qual bewahrheitete, Gott unterwürfig sind? Und wer Gott schmäht , für den gibt es keine Ehrerweisung. Gewiss, Gott macht, was er will

  1. “Und wen Gott schmäht” – Eine Interpretation, die Gott als denjenigen darstellt, der eine Person demütigt.
  2. “Und wer Gott schmäht” – Eine Lesart, die betont, dass es der Mensch ist, der Gott beleidigt.

Warum die Entscheidung für „Wer Gott schmäht“?

Die Entscheidung, die Lesart “Wer Gott schmäht” zu bevorzugen, basiert auf einem grundlegenden theologischen Prinzip: Gott bestraft niemanden ohne Grund. Gott ist gerecht und handelt niemals willkürlich. Wenn also jemand von Gott bestraft oder erniedrigt wird, dann aufgrund seiner eigenen Handlungen. Die Lesart „Wer Gott schmäht“ betont die aktive Rolle des Menschen, der sich gegen Gott auflehnt, was schließlich zu seiner Bestrafung führt.

Diakritische Zeichen – Eine menschliche Ergänzung

Die diakritischen Zeichen wurden von Gelehrten hinzugefügt, um die Aussprache zu standardisieren und zu verhindern, dass der Text falsch verstanden wird. Doch diese Zeichen sind menschlichen Ursprungs und nicht Teil der ursprünglichen Offenbarung. Deshalb besteht die Möglichkeit, dass der Text ohne diakritische Zeichen mehrere Lesarten zulässt, die je nach Kontext unterschiedlich interpretiert werden können.

Beide Lesarten könnten richtig sein

In diesem Fall könnte man argumentieren, dass beide Lesarten – „Wer Gott schmäht“ und „Wen Gott schmäht“ – in einem gewissen Sinne richtig sind. In der ersten Lesart trägt der Mensch die Verantwortung für seine Taten, während die zweite Lesart die göttliche Entscheidung betont, über die Konsequenzen dieser Taten zu richten. Da der Quran reich an Mehrdeutigkeit ist und häufig mehrere Schichten der Bedeutung zulässt, könnten beide Interpretationen zutreffen, je nach Kontext und theologischer Perspektive.

Fazit: Die Vielschichtigkeit des Quran

Die Entscheidung, sich nicht ausschließlich auf die diakritischen Zeichen zu verlassen, ermöglicht es, die Vielschichtigkeit des Quran zu erkennen. Der Text lässt Raum für verschiedene Lesarten und Interpretationen, die sowohl die Verantwortung des Menschen als auch die göttliche Weisheit betonen. Dies unterstreicht die Tiefe des Quran und die Notwendigkeit, sich intensiv mit den Bedeutungen auseinanderzusetzen, anstatt sich nur auf eine festgelegte Lesart zu verlassen.