Das Bild des Garns – Verbundenheit unter Gottes Führung (Vers 16:92)

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Gnädigen

Im Quran werden häufig Metaphern verwendet, um komplexe spirituelle und moralische Konzepte zu erklären. Eine dieser Metaphern ist das Garn, das in Surah An-Nahl (16:92) als Symbol für die Verbindung und Einheit der Menschen unter Gottes Führung dient. Der Vers warnt davor, diese Verbindung zu brechen und sich nur auf Zahlen oder Größenwachstum zu verlassen, um Stärke zu finden. Die wahre Stärke kommt nicht aus der äußeren Größe einer Gemeinschaft, sondern aus ihrer inneren Einheit und der Verbundenheit mit Gott.

„Und seid nicht wie die eine, die ihr Garn in Strähnen auflöste, nachdem es kräftig geworden ist. Da nehmt ihr eure Glaubenssätze untereinander als Vorteil, dass eine Nation mehr Zuwachs hat als eine andere Nation. Gewiss, nur damit prüft euch Gott, und er wird euch am Tag der Auferstehung aufklären, worüber ihr uneins wart.“ (Quran, 16:92)

Das Bild des Garns:

Das Garn steht für die Kraft der Einheit, die durch die Verbundenheit der Menschen unter Gottes Führung entsteht. So wie ein Garn aus vielen feinen Fasern besteht, die miteinander verzwirnt und dadurch stark werden, entsteht auch eine starke Gemeinschaft, wenn ihre Mitglieder durch den Glauben und das Einhalten ihrer Versprechen miteinander verbunden sind. Das Bild des Garns verdeutlicht, dass die kollektive Stärke der Menschen auf der Einheit basiert, die durch das Festhalten an den göttlichen Geboten gefördert wird.

Doch der Vers warnt, dass diese Verbindung leicht zerstört werden kann. Wenn Menschen ihre Glaubenssätze als bloßes Werkzeug für eigennützige Vorteile verwenden, verlieren sie den wahren Sinn der Verbindung. So wie das Garn, das nach seiner Festigung wieder in Strähnen aufgelöst wird, können auch Bündnisse und Versprechen gebrochen werden, wenn die Absicht hinter ihnen falsch ist.

Zuwachs vs. Einheit:

Der Vers richtet sich besonders an diejenigen, die meinen, dass der Zuwachs einer Nation – sei es in Zahl oder Größe – automatisch zu Stärke führt. Dies ist ein Irrtum. Nur weil eine Nation zahlreicher ist, bedeutet das nicht, dass sie stärker ist, wenn ihre inneren Verbindungen schwach oder zerstreut sind. Diese Warnung wird durch den Vers in Surah Al-Hashr (59:14) verdeutlicht:

„Du rechnest mit ihrer Einheit ab, ihre Herzen sind jedoch zerstreut.“

Hier wird deutlich, dass eine äußerlich vereinte Gemeinschaft, die in Wirklichkeit jedoch innerlich getrennt ist, keine wahre Stärke besitzt. Auch wenn ihre Mitglieder zahlenmäßig stark sind, fehlt ihnen die innere Verbindung, die durch den Glauben und die Ausrichtung auf Gott entsteht.

Die Prüfung Gottes:

Gott prüft die Menschen nicht durch äußere Maßstäbe wie Größe, Zahl oder Reichtum. Er prüft sie durch ihre Fähigkeit, gerecht zu handeln und ihre Verpflichtungen gegenüber Gott und ihren Mitmenschen einzuhalten. Eine Nation, die glaubt, dass ihre Größe allein zu Macht führt, ist im Irrtum. Gott nutzt die Unterschiede zwischen den Nationen – sei es im Wachstum oder in der Macht – als Prüfung, um zu sehen, wie die Menschen auf diese Unterschiede reagieren. Nutzen sie ihre Macht und Ressourcen für Gerechtigkeit und die Stärkung ihrer Verbindung mit Gott, oder brechen sie ihre Versprechen, sobald sie keinen Vorteil mehr daraus ziehen?

“Und wenn er gewollt hätte, hätte er euch als eine einzige Nation gemacht. Aber er lässt irren, wen er will, und leitet recht, wen er will. Und ihr werdet nach dem gefragt, was ihr zu tun pflegtet” (Quran, 16:93)

“Und nehmt eure Glaubenssätze nicht als Vorteil untereinander, sonst könnte ein Fuß straucheln, nachdem er festen Stand hat, und ihr würdet das Üble kosten für das, was ihr vom Wege Gottes abgewiesen habt, und für euch gäbe es eine gewaltige Qual” (Quran, 16:94)

Diese nachfolgenden Verse erinnern daran, dass es in Gottes Hand liegt, die Menschen zu einer Nation zu machen oder sie in verschiedene Gruppen zu unterteilen. Gott entscheidet, wen er rechtleitet und wen er irren lässt – diese Unterscheidung basiert nicht auf der Größe oder Macht einer Nation, sondern auf der moralischen Ausrichtung und den Taten der Menschen. Es wäre ein großer Fehler, auf die Anzahl oder den Zuwachs einer Nation zu vertrauen, da wahre Stärke nicht durch Zahlen, sondern durch die Rechtleitung und Verbindung zu Gott bestimmt wird.